Samstag, 4. Oktober 2008

Stadtplanungsmuseum und wie wir eine Parallelwelt entdeckten

Samstag 4.10. 2008
Auf zum Stadtplanungsmuseum!

Ebenfalls auf dem Renminguangchang platziert ist das Museum für die Stadtplanung Shanghais. Dieses ist deutlich weniger frequentiert besucht, als das Shanghai Museum vom Mittwoch. Dieses Gebäude besitzt 5 Stockwerke und ist total modern ausgestattet. Allerdings ist bei all dem Hightech-Schnickschnack auch sehr viel kaputt. Viel Computer funktionierten gar nicht, Flatscreens waren ausgefallen und die Animationen in den Vorführräumen waren wahrscheinlich noch von vor 2000. Zu sehen gab es sehr viel, beispielsweise alte Fotos von Shanghai im Vergleich zu den heutigen real existierenden Orten. Diese haben sich innerhalb der letzten 30 Jahre so verändert, dass man sie nie und nimmer wiedererkennen würde. Meiner Meinung nach hat sich die Architektur aber nicht gerade zum Vorteil verändert. Anstatt von typischen chinesischen Familienhäusern sind riesige Wohnkomplexe entstanden, die durch den ganzen Smog und Dreck in der Stadt schon nach wenigen Wochen eher wie graue Sozialbauten aussehen. Unter Denkmalschutz versteht man hier ja eh etwas anderes. Hier wird nicht wie bei uns versucht, jede noch zu rettende alte Substanz vor dem Verfall zu bewahren. Nein, hier wird das Alte einfach weggerissen und etwas Neues hingebaut, dass entweder gar nicht an das vorher Dagewesene erinnert oder das Alte in Richtung Kitsch umgebaut wird. Das ganze Museum war durchzogen von interessanten Stadtplänen von der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Es gibt ein riesiges Modell von Shanghai, um das man herumlaufen kann. Abgebildet sind nicht nur existierende Gebäude sondern auch Gebäude, die es in Zukunft geben soll. So zum Beispiel der höchste Wolkenkratzer der Welt oder ein komplettes, wahrscheinlich unbezahlbares Stadtviertel mit Einfamilienhäusern in Pudong in nähe eines riesigen Parks.
Des weiteren wurde eine komplette Etage nur für die Expo reserviert. Hier werden alle Fortschritte im Bau dokumentiert sowie Werbefilmchen gezeigt. Die Expo wird einen geraumen Teil der Fläche östlich des Huangpos einnehmen und wird bestimmt genauso präzise gebaut, wie die Sportstätten für Peking.
Auch an der logistischen Infrastruktur, wie den Bahnhöfen, den Flugplätzen und dem Hafen wird getüftelt und entworfen, was das Zeug hält. Alles läuft auf Hochtouren und die Stadt ist im ständigen Baufieber. Vor unserer Hochschule wird auch von um 6.00 Uhr früh bis nachts um 2.00 Uhr an der Metrostation gebaute. Bislang gibt es 8 Metrolinien, es sollen aber insgesamt 15 werden. Hier trifft wieder der Spruch zu, dass Shanghai die größte Baustelle der Welt ist.
Interessant an der Ausstellung war, dass wir viel gesehen haben und trotzdem nur sehr wenige Informationen über Shanghai selbst erfahren haben. Auch die Jahre 1945 bis 1970 sind komplett aus der Stadtkonstruktionsgeschichte ausgeschlossen. Ich bin zwar mit vielen Eindrücken hinausgegangen, aber wirklich weitergebildet hat mich dieses Museum nicht. Meiner Ansicht nach ist es eher ein Prestigeobjekt der Stadtverwaltung, als für Touristen geeignet.

Mein erster Anzug!

Freitag 03.10.2008 Die Schneiderei

Da wir hier in Shanghai und bald auch in Peking auf eine turbulente Bewerbungszeit für unser Praktikum zusteuern, beschlossen wir, in den Stoffmarkt Shanghais zu fahren. Empfohlen von Freunden besuchten wir ein 4-stöckiges Schneiderhaus in der Longmenlu, einer Parallelstraße zum Bund. Nach einiger Nachforschung fanden wir auch einen Bus, der uns direkt dorthin kutschierte. Um uns einen ersten Eindruck zu verschaffen, schlenderten wir durch die engen Gänge des Kaufhauses. Zu unserer Freude fanden wir im obersten Stockwerk einen Citibankautomaten. Der wird wohl auch guten Wissens um die Sucht der Westler nach maßgeschneiderten Kleidern aufgestellt worden sein. Böse Zungen behaupten sogar, man wird ab dem ersten Kleidungsstück abhängig davon. Auch für uns war die Verlockung sehr sehr groß, überall hingen wunderschöne Abendkleider, Mäntel, die man in Deutschland nicht bezahlen könnte und natürlich unser Ziel- Die Businesskleidung. Alin hat sich als erste von dem Zauber der Schneiderei einfangen lassen und bekommt nun einen af den Leib geschneiderten hellen Stoffmantel, der sehr elegant aussieht für 60 Euro. Der Winter kann kommen!
Ich persönlich habe mich danach erst getraut mir dort Kleidung machen zu lassen. In einem Geschäft wurden dann auch meine Maße genommen. Nun bekomme ich für lediglich 50 Euro einen maßgeschneiderten Blazer mit dazugehörigen Rock und Anzughose. Er sieht schwarz aus und ist durchzogen mit dunkelblauen Nadelstreifen. Die Formen konnte ich sowohl von den Ausstellungsstücken her auswählen, als auch aus mehreren Katalogen. Nach einer Anzahlung von 30 Euro und einer Quittung zu Abholung innerhalb der nächsten Woche, machten wir uns glücklich und zufrieden wieder auf den Weg nach draußen. Jetzt kann ich bestätigen, ja es macht süchtig und man läuft Gefahr sich gleich nach dem abholen ein weiteres Kleidungsstück anfertigen zu lassen! Es ist aber auch verdammt günstig...( gerade Für Leute mit komischen Körpermaßen, wie ich)

Gleich neben der Schneiderei beginnt die Altstadt Shanghais. Dort waren wir eigentlich schon mal, haben aber nur einen kleinen Teil gesehen. Diesmal erkundeten wir den Hauptteil der alten Stadt, die besonders durch die vielen kleinen Geschäfte und Essensstände sowie durch die turbulente Optik besticht. Die gesamte alte Stadt ist so groß wie ein eigener Stadtteil von Shanghai und Touristen werden von ihr auch magisch angezogen!
Da es nun schon Mittag war beschlossen wir in der Altstadt in einem uigurischen Restaurant Nudeln zu essen, die wieder mal lecker waren. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Suppen sehr heiß und teils auch sehr scharf sind. Also lief meine Nase. Und das wiederum ist ein absolutes Tabu in China. Was also tun, damit es keinem auffällt? Alin war das letzte Mal aus der Imbissbude rausgegangen um sich zu schnäuzen. Ich wählte die Variante heimlich die Serviette zu benutzen, wurde allerdings in genau diesem Moment von einem chinesischen Touristen fotografiert, für den wir wahrscheinlich das exotischste in der Altstadt waren.

Shanghai Museum 上海博物馆

Donnerstag 02.10.2008

Heute können wir von uns behaupten, dass wir wissen, was es heißt in China an einem Feiertag in Shanghai an einer der beliebtesten Touristenattraktionen Schlange zu stehen!

Pünktlich zu Eröffnung des Museums fuhren wir mit dem Bus vor und sahen schon eine mächtige Schlange um das Shanghai Museum stehen. Also stiegen wir schleunigst aus dem Bus aus und bewegten uns in Richtung Museum. Wie immer gab es zwei Eingänge, einen für die Touristengruppen mit Führung und einen für Normalsterbliche. Das war der erste Zeitpunkt, an dem ich mir wünschte, einer Touristengruppe zuzugehören, denn diese Schlange war wesentlich kürzer und wurde natürlich bevorzugt hereingelassen. Alin und ich zögerten, sollten wir wirklich 2 Stunden lang warten, ehe wir in das Museum kommen? Ist es uns das wirklich Wert? Noch war keine Entscheidung getroffen, also versuchten Alin und ich das Ende der Schlange zu finden. Die Menschen schlängelten sich die Gesamte Vorderseite entlang. Alin und ich bogen um die Ecke und die Menschenmassen standen weiter an. Insgesamt würde ich sagen, dass die Warteschlange ungefähr 500m lang war. Natürlich standen die Menschen nicht in Reih und Glied, sondern bis zu fünft nebeneinander.
Nach kurzem Hadern siegten Alins und meine Neugier auf das Museum dann doch und so reihten wir uns in den Touristenstrom mit ein.

Mit einer guten Portion schwarzen Humors und viel Geduld hielten wir es dann auch 1,5 Stunden lang aus, bis sich die goldenen Pforten auch für uns öffneten. Am meisten freuten wir uns darüber, dass die Schlange hinter uns immer länger wurde und, außerdem waren wir nicht die einzigen Westler, die so weit hinten standen. Ein hämisches Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen, wenn entgeisterte weiße Gesichter versuchten das Ende der Schlange zu erkunden! Interessant zu beobachten war dabei die chinesische Anstelltechnik. Ein Mitglied der Familie wurde auserkoren, die ehrenvolle Aufgabe zu übernehmen, bei glühender Sonne einen Platz in der Schlange für die anderen freizuhalten. Diese besorgten in der Zeit für den Wartenden kühle Getränke und Knabberreihen oder aber ließen ihn einfach im Stich und spielten mit den Kindern im Schatten der Grünanlage des Renminguangzhang 人民广场, dem Volksplatz.

Der Volksplatz ist eine große Grünanlage und ähnlich wie in Berlin die Museumsinsel aufgebaut. Die Gebäude sehen alle recht europäisch aus, sind neu und innen mit allem nötigen Hightechschnickschnack ausgestattet. Der Renminguangzhang liegt in Mitten von Wolkenkratzern und ist umgeben von 4-spurigen Straßen von hier aus kann man bequem zur Nanjinglu laufen. Eine Überraschung erlebt man allerdings, wenn man versucht die Straße zu überqueren, denn oberhalb der Erde funktioniert dies nicht. Also geht man durch eine Unterführung. Diese wiederum grenzt an eine riesige Shoppingmall, die sich unter dem Volksplatz verbirgt. In dieser findet man Läden für Disneyhandtaschen, Hello Kitty, Pucca, Astroboy und allen möglichen anderen Kitsch. Es gibt auch Läden, die Prinzessinnenkleider verkaufen und jede Menge Schmuck, Mützen und Schuhe.

Soweit zu den Shoppingmöglichkeiten. Das Shanghai Museum ist ein „kleines“ Museum über die chinesische Kultur. Es besitzt 4 Etagen mit jeweils 4 Ausstellungsräumen, was für deutsche Verhältnisse doch schon recht ansehnlich ist. Ausgestellt wurden Kunststücke wie Kalligrafien, Porzellan und Töpfereikunst, chinesische Gemälde aus Tusche, Münzen, Stempel und Siegel, Stoffe, Seide und Jade, altes Mobiliar von Küchen über Betten und Sofas bis hin zu kaiserlichen Thronen, die Trachten der Minderheiten und Statuen zumeist von Buddha. Am Anfang versuchte ich noch, Fotos zu schießen, aber irgendwann gab ich es auf, weil wir sonnst nicht mehr am gleichen Abend nach hause gekommen wären. Das Museum besitzt seinen ganz eigenen Charm zwischen Moderne und Geschichte und ist auf jeden Fall die Warterei Wert gewesen!

Französische Konzession

Mittwoch 01.10.2008, Die Französische Konzession.

Am späten Vormittag zogen Alin und ich aus, die Spuren vergangener Kolonialzeiten in Shanghai zu erkunden. Neben den Amerikanern, Engländern und Deutschen, erhoben auch die Franzosen Anspruch auf Teile von China. So kann man heute noch in Shanghai die Überbleibsel Französischer Kolonialbauten sehen. Mit der U-Bahn ist das ganz leicht zu erreichen. Man wird am Anfang der Huaihai Straße rausgedrängt, einer modernen Straße mit vielen teuren Kleiderläden, Juwelieren und Uhren. Durch die Heerschar von Touristen und der unzähligen Geschäfte ist Alin und mir zunächst gar nicht aufgefallen, dass wir uns bereits in der französischen Konzession befinden. Überwältigt von den wunderschönen Brautmodengeschäften, die sich aneinander reihen und mit Ballkleidern werben, hätten wir doch fast nicht bemerkt, dass es außer Konsum in dieser Straße auch noch europäische Architektur gibt. Zwischen den unzähligen Konsummeilen schlängelte sich ein kleines Baozi und Jiaozi-Restaurant entlang. Natürlich konnten Alin und ich da nicht widerstehen und bestellten eine Art Blätterteigtasche mit Gemüsefüllung ein Baozi mit gebratener Reisfüllung, was so ähnlich wie Rissotto geschmeckt hat.

Gut gestärkt begutachteten wir die Baukunst des Viertels. Doch auch hier ist der Baustil komplett anders, als ich mir es vorgestellt habe. Von riesigen Villen mit hübschen Vorgärten ist wenig zu sehen. Biegt man in die Seitengassen, bemerkt man, dass die Villen zwar hübsch sind, doch eher an Arbeiterwohnungen erinnern. Zudem kommt, dass die meisten Gebäude gerade überholt werden. Auf dem Weg durch die französische Konzession besichtigten wir die Residenz von Sun Yatsen, der sowohl in der VR China, als auch auf Taiwan, als Gründer der Republik gefeiert wird. Zum Herrenhaus ist eigentlich nur zu sagen, dass es typisch europäisch protzig gebaut und ausgestattet wurde. Dunkle Möbel, dunkler Boden, schwere Stoffe und jede Menge Bücher. Das Museum war sehr interessant, aber etwas klein.

Nach so viel Kultur gönnten wir uns einen Ausflug in den benachbarten Fuxingpark, indem Trommler und Geiger spielten, die Männer ihre selbstgebastelten Drachen segeln lassen und sogar das Betreten vom Rasen erlaubt ist. Ein Familienparadies schlechthin, allerdings, sollte man sich etwas mehr Geld in die Tasche stecken, denn im Park haben die Kinder die Möglichkeit Autoscooter und Karussell zufahren. Gleich daneben spielen die alten Shanghaier chinesisches Schach, Majong oder Karten. Der Park ist zwar klein, aber dafür sehr gemütlich.

Auf dem Rückweg kamen wir sogar an einem richtigen kleinen Markt für Trockenobst, Tee und Getränke vorbei. Gleich mischten wir uns in das Getümmel und mussten feststellen, dass Chinesen bei Kostproben genauso beherzt zugreifen wie die Deutschen! Nach dem wir dann doch mehr Ellenbogenhiebe und Fußtritte abbekamen, gaben wir den Versuch auf etwas zu kaufen und machten uns auf den Heimweg.